Ein Raum, viele Funktionen – oder: was man mit ein bisschen Platz alles machen kann
An den wenigsten Orten hat ein einzelnes Zimmer wohl so viele verschiedene Funktionen wie in einem Studentenwohnheim. Seit über vier Jahren lebe ich in einem Wohnheim und bin sehr froh, in zentrumsnaher Lage mein eigenes kleines und bezahlbares Reich zu haben. Mein Zuhause ist dabei gleichzeitig das Zuhause von 120 anderen Studentinnen und Studenten.
Meine Mitbewohner und ich befinden uns in der glücklichen Lage ein Zimmer im letzten selbstverwalteten Studentenwohnheim in München zu haben. Selbstverwaltet bedeutet dabei für uns unter anderem, dass wir die Räume individuell gestalten können und mit dem Platz, den wir zur Verfügung haben, machen können, was wir wollen. Und genau das tun wir.
In unserem Wohnheim gibt es nicht einfach nur eine Küche, ein Bad, ein Ess- und ein Schlafzimmer. Hier erfüllt jeder Raum mehrere Aufgaben und wird je nach Bedarf auf die unterschiedlichsten Arten genutzt. Mein Zimmer ist zum Beispiel nicht nur Schlafraum und Rückzugsort, sondern auch Esszimmer, Lernraum, Bibliothek, Abstellkammer, Besprechungszimmer und Fitnessstudio. Man könnte es auch als Schatzkammer bezeichnen, da alle wichtigen Dinge, die ich besitze – oder überhaupt alle Dinge, die ich in meinem Zuhause habe – in diesem Zimmer sind. In der Ecke lagert neben überzähligen Rollos und der Gitarre auch die Skiausrüstung, im Schrank sind außer Klamotten und Schuhen auch Küchensachen verstaut. Waffeleisen neben den Socken – warum auch nicht? Ich muss schließlich jeden Zentimeter meiner vier Wände nutzen. Vor allem wenn ich Besuch habe. Da verwandeln sich die 12 m² ganz schnell in eine riesige Garderobe, ein kleines Café oder sogar in ein international beliebtes Hotel, das besonders zur Wiesn-Zeit gerne von meinen Freunden aus ganz Deutschland und der Welt als Unterkunft genutzt wird.
Auch unsere Gemeinschaftsräume sind sehr wandelbar und vielseitig einsatzfähig. Die Gänge sind gleichzeitig auch Treffpunkt, Konferenzraum, Ort für Meetings und Diskussionen sowie Lagerraum für alle möglichen Gegenstände oder Garage für Fahrräder (was natürlich offiziell aus Brandschutzgründen nicht erlaubt ist). Das Bad verwandelt sich schon mal in einen Friseursalon oder eine Kosmetikstudio. Die Küche dient neben ihrer gebräuchlichen Funktion auch als Versammlungsraum, Party-Area, Bar, Gastronomiebetrieb oder Bühne für Bands. Im Wohnzimmer befindet sich wahlweise die Fernsehecke, eine Lounge oder eine Tanzfläche. Der Gemeinschaftsraum des Wohnheims kann flexibel als Wohnraum, Sport- und Fitnessstudio, Partykeller, Kino, Atelier, Werkstatt oder Location für Fotoshootings verwendet werden. Außerdem kann man dort verschiedene Events veranstalten: zum Beispiel Weinproben, das perfekte Dinner, Public Viewing oder Podiumsdiskussionen mit dem Münchner Bürgermeister und andern Politikern. Garten, Grillplatz, Bühne, Schwimmbad und Biergarten befinden sich wahlweise in unserem Innenhof.
Wenn ich ausziehe wird mein Nachmieter mein Zimmer wahrscheinlich umgestalten und nach den eigenen Bedürfnissen einrichten – was aber bleibt ist die vielfältige Nutzung des Raumes. Denn unsere Zimmer bieten auf wenig Platz unzählige Möglichkeiten, man muss sich nur trauen sie zu nutzen.
Sabrina Schöttler
Sabrina Schöttler studiert Englisch und Wirtschaftswissenschaften auf Lehramt an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2009 wohnt sie in einem Münchner Studentenwohnheim.