Wie attraktiv ist der Lager-Markt im Großraum Wien?
Das Forschungsprojekt „Urban Warehousing im Großraum Wien“ am Institut für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien untersucht den Selfstorage-Markt in Wien.
Forschungsprojekt „Urban Warehousing im Großraum Wien“ am Institut für Transportwirtschaft und Logistik der WU Wien unter Leitung von Mag. Wolfram Groschopf.
Projektziel: Erhebung von Status Quo und Ableitung von Entwicklungstendenzen sowie -potentialen des Lagermarktes im Großraum Wien. Die Marktbetrachtung wird wegen der stark divergierenden Anforderungen kundengruppenspezifisch segmentiert in die Bereiche B2B und B2C.
Vorgehensweise: Im B2C-Bereich („Self Storage“) wird ausgehend von einer Identifikation relevanter Marktteilnehmer im Großraum Wien eine umfassende Analyse des aktuellen Angebots vorgenommen. Dabei werden insbesondere Preise, Ausstattungsmerkmale und angebotene Dienstleistungen der Anbieter erhoben und verglichen. Die Erhebung zukünftiger Entwicklungspotentiale im B2C-Segment erfolgt durch Auswertung bestehender Daten im Rahmen einer Literaturrecherche und einer empirischen Befragung.
Im Rahmen der Bachelorarbeit der Autorin mit dem Thema „Marktstudie von Lagerflächenanbietern im urbanen Bereich am Beispiel Großraum Wien“ wurden im Mai 2013 Expertengespräche mit den Geschäftsführern bzw. leitenden Angestellten von fünf Selfstorage-Unternehmen im Großraum Wien geführt. Ziel dieser Interviews war es, zusätzlich zu Recherchen im Internet und einschlägigen Zeitschriften, Informationen von den Unternehmen selbst zu erhalten, um den Lager-Markt so umfassend als möglich darstellen zu können.
Aufbauend auf die Branchenstrukturanalyse „Porter´s Five Forces“ wurde ein Fragenkatalog entwickelt, welcher als Leitfaden bei den Expertengesprächen diente. Die Ergebnisse dieser Interviews werden hiermit nun einem breiteren Publikum zugänglich machen.
Allen fünf Unternehmen haben gemeinsam, dass sie Lagerflächen für Privatpersonen und Gewerbekunden (nur Kleinmengen) anbieten. Jedoch hat jedes Unternehmen eine für sich optimale Nische am Markt gefunden so dass es sehr wenig Konkurrenz in diesem Marktsegment zu geben scheint. Somit sind wir schon bei der ersten, den Markt beeinflussenden, Kraft nach Porter: Dem „Wettbewerb am Markt“.
Alle fünf befragten Unternehmen sind der Meinung, dass der Selfstorage-Markt im Großraum Wien keinesfalls als heißumkämpft bezeichnet werden kann. Durch die verschiedenen Teilsegmente werden unterschiedliche Kundenschichten bedient. So gibt es einerseits ein großen, den Markt beherrschenden, Full-Service-Provider, welcher Indoor-Lagerräume und ein breites Sortiment an dazugehörigen Dienstleistungen anbietet. Ein anderes Konzept verfolgt ein Nischenanbieter, welche sich auf die Vermietung von Containern in verschiedensten Größen spezialisiert hat. Sie sprechen eher preissensible Kunden an, deren Wunsch es ist, so günstig als möglich einen Lagerplatz zur Verfügung gestellt zu bekommen. Wieder eine andere Nische haben zwei Unternehmen im Herzen Wiens gefunden. Sie adaptieren leer stehende Erdgeschossflächen in Altbauten im Zentrum der Stadt um sie als mietbare Lagerflächen anzubieten. Zu guter Letzt befindet sich noch ein Nischenanbieter vor den Toren Wiens der jene Kunden bedient, welche um des niedrigen Preises willen, auch eine längere Autofahrt in Kauf nehmen.
Das zweite Untersuchungsobjekt ist die „Bedrohung durch potentielle Mitbewerber“. Hier gehen die Meinungen etwas auseinander. Ein Unternehmen denkt, dass neue Anbieter versuchen werden in den Markt einzutreten, dies aber nicht schaffen werden. Ein zweites wiederum kann sich vorstellen, dass kleine Nischenanbieter noch eine Chance am Markt haben und wieder ein anderes meint, dass die Wachstumsgrenze noch nicht erreicht ist, und so ein Eintreten neuer Mitbewerber wahrscheinlich ist. Zwei Firmen können hierzu keine Aussage treffen.
Eine weitere, den Markt beeinflussende Kraft, stellt die „Verhandlungsstärke der Kunden“ dar. Hier sind sich alle fünf befragten Unternehmen einig, dass es keinen Verhandlungsspielraum für ihre Kunden gibt, außer der standardmäßigen Rabatte für zB Langzeitmiete. Die Verhandlungsmacht der Kunden ist also in der Praxis in dieser Branche so gut wie nicht bzw. nicht ausgeprägt.
Andererseits gibt es noch die „Verhandlungsstärke der Lieferanten“, welche die Attraktivität des beleuchteten Marktes stark beeinflusst. Der Begriff „Lieferant“ muss in dieser Branche etwas weiter gefasst werden, denn das eigentliche Produkt, die Lagerfläche, kann natürlich nicht von einem Lieferanten bezogen werden. Als Grundlage für das Geschäftsmodell dient ein geeignetes Grundstück in der geeigneten Lage. Und genau diese zwei Eigenschaften zu vereinbaren ist laut allen befragten Unternehmen in Wien äußerst schwierig. Etwas leichter fällt dies den Betreibern jener Unternehmen, die sich mit ihrem Konzept keinen leer stehenden Grundstücken, sondern Altbauten (Zinshäuser) mit ungenutzten Erdgeschosslokalen bedienen. Aber auch hier kann nicht jedes Gebäude adaptiert werden, da ein Umbau erst ab einer Größe von 300-350m² rentiert. Die Verhandlungsmacht der Lieferanten ist bezüglich der Grundstücke, also nicht zu unterschätzen.
Ein einziges Unternehmen, das einen „richtigen“ Lieferanten vorzuweisen hat, bezieht seine Lagercontainer aus Übersee. Die Verhandlungsmacht dieses Lieferanten ist jedoch zu vernachlässigen, da er sehr leicht durch einen anderen Anbieter ersetzt werden kann.
Die letzte Kraft nach Porter ist jene durch die „Bedrohung durch Ersatzprodukte“. Hier sehen drei Selfstorage-Anbieter auch für die Zukunft keinerlei Bedrohungen für ihr Geschäftsmodell. Das Unternehmen, welches seine Standorte nicht direkt im Zentrum Wiens sondern einige Kilometer außerhalb der Stadt hat, könnte sich nur vorstellen, dass die Wirtschaftslage sich so weit verschlechtern könnte, dass sich Kunden den Luxus von zusätzlichem Stauraum nicht mehr leisten können bzw. wollen und dass die Kosten für Transport so viel teurer werden, dass es sich nicht mehr rechnet, Güter weiter weg vom Wohnort zu lagern. Ein anderes Unternehmen sieht Neubauten mit größeren Grundrissen und trockeneren Kellern als potenzielle Bedrohung für sein Geschäft. Auch hat man hier bemerkt, dass die jüngere Generation nicht mehr so sehr an Gegenständen hängt wie die ältere Generation, welche doch bevorzugen Dinge zu horten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Selfstorage-Markt im Großraum Wien ein sehr attraktiver Markt ist. Es gibt kaum Bedrohung durch potentielle Mitbewerber, Kunden haben in dieser Branche keine Verhandlungsmacht, es ist keine akute Bedrohung durch Ersatzprodukte zu erkennen und der Markt wird unter den bereits agierenden Unternehmen friedlich aufgeteilt. Die einzig graue Wolke am Himmel stellt die Tatsache dar, dass für die Unternehmen geeignete Grundstücke rar am Markt sind, und deshalb auch von den Anbietern zu hohen Preisen gehandelt werden.
Eveline Moser
Eveline Moser studierte Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie lebt in St. Andrä-Wördern und arbeitet seit 2013 in einem Logistikunternehmen im Norden Wiens.