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Storage Places – Facilitatorinnen veränderter Lebensrealitäten

28. November 2012
Martin Schinagl
Wohnen & Leben
Stadt & Architektur
Dinge & Lagern

Der Zustand einer Gesellschaft, deren Ziele, Einstellungen und Auseinandersetzungen lassen sich, wenn auch nur zu einem bestimmten Maß, im Raum ablesen.

Gehe ich durch die Stadt und sehe eines dieser großen, meist klobigen und leider wirklich unschönen, da vor allem auf eine der Funktionalität bedachten Betonbauweise reduzierten Storage Places, erkenne ich darin die Zeichen eines neuen Zeitalters. MyPlace und Co. sind die Facilitatorinnen neoliberaler Gouvernementalität und ihre Miet-Box-Gebäude die Materialisierung dessen.

Anders als die Annahmen innerhalb der Geographie vor ewigen Zeiten und etlichen Turns, als davon ausgegangen wurde, dass der Raum und die Umgebung den Menschen und die sozialen Gefüge forme, werden Räume – vor allem städtische, öffentliche Räume – heute stärker in ihrer Funktion als Austragungsorte gesellschaftlicher Konflikte konzeptionalisiert. Raum und Stadt als Arena von Interessen. Gesellschaftliche Aushandlungsprozesse schreiben sich in den Raum ein und damit auch deren Hierarchien, Positionen, Machtansprüche, Wünsche und Zwänge. Aus Diskurs und Disposition, aus Paradigma und Werten wird mittels Architektur, Stadtplanung und Bauvorhaben Materie, etwas physisch Gebautes, etwas das sichtbar und greifbar ist.

Die Stadt ist demnach eine Ansammlung von verschiedensten Ideen und Vorstellungen (auch über Gesellschaft als solche), die entweder am Entstehen sind oder abgerissen worden, auf die rekurriert wird oder die durch andere Nutzungen neuinterpretiert und umfunktioniert werden. Neues steht neben Altem und Veraltetem; der Raum wird stetig neu konfiguriert. Das, was besteht – das Alte – strukturiert, begrenzt und gibt vor wie Mensch sich bewegt, arbeitet, lebt. Es entsteht auf diese Weise ein Wechselspiel zwischen Gesellschaft und Raum: Ersteres erzeugt Letzteres und wird von Letzterem beeinflusst und so weiter.

Diesen Gedankengang als Prämisse vorangestellt, stellt sich mir die Frage: Was drückt sich in dem Phänomen der Storage Places aus? Ist es überhaupt ein Phänomen und etwas Neues? Kann es als etwas gelesen werden? Und wenn ja, als was beziehungsweise: Für was?

Eine Hypothese: Storage Places lassen sich als zu Materie gewordener Zeichen eines neuen Zeitalters lesen.

Im Gegensatz zu beispielsweise Co-Working Spaces, die aus dem kollektiven Handeln ein neues Arbeiten praktizieren und somit den Co-Working Space erst konstituieren (müssen), ist ein Storage Place ein Storage Place, egal ob er voll oder leer ist. Die Nutzung ist vorgegeben und der Raum nur ein Containerraum, der nicht durch eine kreative Umgestaltung neuinterpretiert werden kann.1 Der Grad an Unbestimmtheit und Ausgestaltungsmöglichkeit ist bei den Lagerräumen weitaus geringer. Letztlich ist der Bedarf an Eigenstrukturierungsleistungen bei Storage Places einfach nicht so groß.

In ihrer Containerfunktion mag bei Lagerräumen kein großer qualitativer Unterschied zu weitentfernten Pachtgaragen in Vororten oder den modrigen Kellern in Altbauten vorhanden sein. Aber durch die Aufwertung via Professionalisierung dieser Räumlichkeiten zu (bewachten und gepflegten) Storage Places wird auch ein Sicherheitsbedürfnis – woher auch immer dieses kommen mag – gestillt. Sie sind eine mehr oder weniger neuartige Infrastruktur; sichtbar und präsent in urbanen Zentren. Spannend finde ich, wie sich überhaupt neuartige Bezugspunkte für die der Arbeit, des Aufbewahrens, des Parkens (in sogenannten CarLofts) in den engen urbanen Möglichkeiten heraus kristallisieren und an zentralen Orten der städtischen Geographie sehr sichtbar in Erscheinung treten. Nicht alle und vor allem auch nicht die Storage Places bieten einen Ort zum Ausleben neuer dynamischer, projektbasierter Lebens- und Arbeitsweisen, aber sie verbessern die Ermöglichung dieser.

In den Medien und den Selbstdarstellungen werden die Storage Places als flexibler Stau- und Lagerraum propagiert, um den Bedürfnissen einer wohlhabenden, mobilen Gesellschaft nachzukommen. Das Pendeln zwischen Großstädten, Auslandaufenthalte, befristete Arbeitsverträge, Trennungen, neue Beziehungen, Wohnungsauflösungen, Jobverluste, Umzüge und vieles mehr sind eine Auswahl immer wieder genannter Gründe, wieso Menschen sich eine Miet-Box anmieten.

Diese Räume2 bieten sich als Ankerpunkte an, die ein (eventuelles) Reagieren auf ständig potentielle Veränderungen ermöglichen. Die Storage Places sind also fixe Orte der Sicherheit und des Rückzugs vor der omnipräsenten Potenzialität schwerwiegender Veränderungen im Leben eines Menschen? Sicherlich ist es im konkreten Fall weitaus profaner. Doch sie sind ein Ergebnis der aktiven Suche nach Strategien zur Bewältigung entgrenzter Arbeits- und Wohnformen, die ein höheres Maß an Mobilität und Flexibilität abverlangen. Sie sind vielleicht nicht die direkte räumliche Manifestation dieser neuen Lebenssituationen, aber zumindest die Manifestation der Andeutung ihrer.

Aber genauso wie nicht alle Menschen im gleichen Maße von diesen Veränderungen betroffen sind, werden nicht alle und nur ganz bestimmte Menschen auf zusätzliche Lagerräume zugreifen (können) – jene die das Bedürfnis nach zusätzlichen Raum haben und auch das nötige Kapital. Hier eröffnet sich ein anderes Spannungsfeld, welches in diesem Rahmen nicht weiter behandelt werden soll, aber aufgrund dessen, dass es mir am Herzen liegt, nicht unerwähnt bleiben darf. Nämlich die Frage: Inwieweit liefert die zunehmende Verbreitung von Storage Places insbesondere im knappen und hart umkämpften städtischen Raum den Nährboden für soziale Auseinandersetzungen und Konflikte? Setzt sich die Nutzerinnenstruktur vor allem aus wohlhabenderen und unterschichtenverdrängenden Gentry zusammen, dann bergen die schön zentralgelegenen Lagerräume ein noch unbeachtetes Konfliktpotenzial.

Weiterführende Literatur

Löw, Martina. 2001. Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp

Pohler, Nina. 2011a. Neue Arbeitsräume für neue Arbeitsformen: Coworking Spaces. Wien, Wirtschaftsuniversität, Dipl.-Arb.

1 Das stimmt so natürlich auch wieder nicht, denn das würde ein ontologisches Raumverständnis vermitteln, welches ausdrücklich nicht das meine ist. Auch der Storage Place muss erstmal als ein solcher kollektiv verstanden und auch immer wieder inszeniert werden – Martin Löw (2001) spricht hierbei von „institutionalisierten Räumen“. Die Bedeutung dieser Räumlichkeiten ergibt sich nicht aus ihrem Sein heraus, aber – und das ist es, was ich betonen wollte – ist die Ausgestaltung und die Art der Nutzung bei Co-Working Spaces institutionell weit weniger vorgegeben und weit stärker von den Nutzerinnen und deren Handeln abhängig.

2 Noch sinnvoller wäre es sicherlich von einer Dienstleistung zu sprechen, die die Storage Places in verschiedenen Lokalitäten, aber in immer wieder erkennbaren ähnlichen Mustern erbringen. Aber dies ginge in diesem Satz nur zu Lasten auf die nachstehende Ankermetapher, die ich nicht zerstört sehen will.

Martin Schinagl

Martin Schinagl ist Student an der HU zu Berlin im Masterstudiengang Europäische Ethnologie. Vorgeprägt durch einen BA-Abschluss in Humangeographie in Potsdam stellen raumkonstituierende soziale Prozesse und Praktiken für ihn ein wichtiges Interessenfeld dar.

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