Über das Bedürfnis, einen Platz zu finden für Dinge, die aufbewahrt werden sollen
oder Die unterschiedlichen Orte der Einlagerung: Wo Dinge ihren Platz erhalten. Die uns umgebenden Dinge nehmen nicht nur in unserem Leben, auch in unserer Umwelt viel Raum ein, beziehungsweise Platz in Anspruch.
So beschreibt Habermas, „[...] Dinge sind nicht nur Objekte mit räumlicher Ausdehnung, sondern zugleich immer in der Umwelt lokalisiert und räumlich in Bezug auf die Person situiert. Handeln mit Dingen weist so immer eine räumliche Dimension auf.“1
Die Dinge umgeben uns also im physischen Sinne, sie sind uns zur Hand, wir können sie anfassen, an/sammeln, sortieren, platzieren, beziehungsweise stellen oder legen sie an von uns vorbestimmten Plätzen ab.
Während Platz „[...] das eng umgrenzte Raumstück, in das etwas gerade hineinpasst, bis an seine Grenzen, aber nicht darüber hinaus“2 bezeichnet, ist Raum „das Umgreifende, indem alles seinen Platz, seinen Ort oder seine Stelle hat“3. Die Dinge sind, um mit Heidegger zu sprechen „[...] als Zeug wesenhaft an- und untergebracht, aufgestellt, zurechtgelegt [...]“4. Deutlich wird, mit welchen verschiedenen Formen des Bereitlegens und Aufbewahrens wir es zu tun haben. Dabei geht man zweckmäßig vor, nutzt den verfügbaren Raum, legt das Zusammengehörige zusammen und das häufig Gebrauchte bevorzugt an leicht erreichbare Stellen. Weniger häufig Gebrauchtes wird entweder an entlegenen Stellen der Wohnung abgelegt oder gerne auch ganz aus ihr ausgelagert. Diese Dinge landen schließlich an Orten, die man weniger frequentiert, die dennoch weiterhin Teil des eigenen Umfelds sind.
Denn, so führen Selle/Boehe5 aus, die Dinge stehen nicht einfach herum, „das Zeug hat seinen Platz“ durch unsere Zuweisung; die Nähe „regelt sich aus dem umsichtig ˈberechnendenˈ Hantieren und Gebrauchen“6. Die Wohnung, behaupte ich mit Habermas, ist dabei der Ort exklusiver Verfügung. Hier entscheiden die Bewohner, was ein Besucher zu sehen bekommt und was seinem Blick verborgen bleibt, was 'privat' und was 'öffentlich' ist.
Die außerhalb der Wohnung gelegenen Orte dienen der Unterbringung von Dingen, die nicht dem alltäglichen Bedarf dienen oder deren Unterbringung in der Wohnung als unpassend erscheint oder die gar als nicht präsentierbar gelten, dem Besitzer trotz ihrer alltäglichen Unbrauchbarkeit immer noch 'teuer' sind und aufbewahrt werden sollen. In seiner Studie stellte Korosec-Serfaty fest, als sie 96 Personen über die Bedeutung ihrer Speicher und Keller befragte, dass Keller oder Speicher als „hidden spaces“ beschrieben werden, doch „never disconnected from the daily lived-in interior spaces of the home“. „Being in the attic or the cellar still means being a little apart, a little outside the house, in a space traditionally considered secondary, a place used to discard things[...]“7. Es sind vieldeutige, multifunktionelle Räume, oft mit unklarem Status, in denen sich ebenso viele Dinge unklaren Status versammelt haben. Bei Dingen dagegen, denen der Stempel 'unbrauchbar' aufgedrückt wurde, steht die Entsorgung an. Wie schwer dieser Prozess des 'Loslassens' fällt, zeigt sich darin, dass die Dinge nur im Notfall der Mülldeponie überantwortet werden. Gerne nimmt man große Mühen in Kauf, um für die ˈausgebrauchtenˈ Dinge einen neuen Platz zu finden, sei es per Zeitungsannoncen bei Sperrmüll, Mund-zu-Mund-Propaganda über Freunde und Verwandte oder Internet über Ebay, etc. Zwar scheiden die Dinge dann aus der persönlichen Verfügungsgewalt ihres Besitzers aus, sie sind jedoch nicht aus der Welt verschwunden, sondern haben einen neuen Platz in der Ding-Welt eines neuen Besitzers gefunden, ein von allen meinen Interviewpartner angestrebtes Vorgehen, das sie anscheinend beruhigt.
1 Tilmann Habermas: Geliebte Objekte. Symbole und Instrumente der Identitätsbildung. Frankfurt a. M. 1999, S. 77.
2 Otto Friedrich Bollnow: Mensch und Raum. Stuttgart 2004, S. 42f.
3 Ebd., S. 37.
4 Martin Heidegger: Sein und Zeit. Halle a. d. S. 1927, S. 102.
5 Vgl. Gert Selle/Jutta Boehe: Leben mit den schönen Dingen. Anpassung und Eigensinn im Alltag des Wohnens. Hamburg 1986, S. 9.
6 Heidegger 1927, S. 102.
7 Perla Korosec-Serfaty: The Home from Attic to Cellar (1984). In: Journal of Environmental Psychology 4, S.303- 321, S. 303.
Annelie Knust
Annelie Knust studierte Empirische Kulturwissenschaft, Erziehungswissenschaft und Kunstgeschichte auf Magister an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Ihre Abschlussarbeit "Zum Wegwerfen zu schade?" im Fach Empirische Kulturwissenschaft am Ludwig-Uhland-Institut handelt von Menschen, ihren Dingen und ihren Erfahrungen mit deren Speicherung bzw. Einlagerung bei „Self Storage–Firmen“ (Selbstlagerzentren). Seit April 2013 arbeitet Annelie Knust als Assistenz im Museum "Fondation Beyeler" in Basel.